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In Bezug auf die von uns hier bereits angeführte neuen Entscheidung (Urteil vom 1. Juli 2014 – VI ZR 345/13) des für das Recht der unerlaubten Handlung zuständigen VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs darüber, ob der in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzte von dem Betreiber eines Internetportals Auskunft über die bei ihm hinterlegten Anmeldedaten des Verletzers beanspruchen kann, liegen uns nun auch die bemerkenswerten Urteilsgründe vor:

Ob danach § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG, wonach ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen habe, soweit dies technisch möglich und zumutbar sei, den allgemeinen Auskunftsanspruch (§ 242 BGB) über Nutzerdaten ausschließe (dies hatte noch das Berufungsgericht ausdrücklich verneint), kann nach Auffassung des BGH offen bleiben.

Denn eine solche Auskunftserteilung würde jedenfalls daran scheitern, dass der Portalbetreiber nach § 12 Abs. 2 TMG nicht zur Herausgabe der zur Bereitstellung des Telemediums erhobenen Daten durch eine konkret auf Telemedien bezogene Vorschrift befugt ist – danach ist diesem die Herbeiführung des geschuldeten Erfolges aber rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB); der aus Treu und Glauben abgeleitete allgemeine Auskunftsanspruch beinhaltet eben keine Erlaubnis im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG, welche sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht.

Auch würde § 14 Abs. 2 iVm § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG keine Ermächtigung zur Auskunftserteilung zu bloßen Zwecken des Schutzes von Persönlichkeitsrechten enthalten (sondern nur auf Anordnung der zuständigen Stellen insbesondere zu Zwecken der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr). Eine analoge Anwendung auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen scheitert nach Auffassung des Senats an einer planwidrigen Regelungslücke; aus der Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste ergäbe sich, dass das Problem seinerzeit sachverständig behandelt wurde, BT-Drucks. 16/3078, S. 12 und 16).

Anmerkung:

Die in fachlicher Hinsicht vielleicht etwas provokante Frage stellt sich, ob im Hinblick auf die Einwilligung des Nutzers nach § 12 Abs. 2 TMG trotz datenschutzrechtlicher Implikationen der engen Zweckbindung im Falle einer jedenfalls offensichtlichen Persönlichkeitsrechtsverletzung auf eine „mutmaßliche“ Einwilligung abgestellt werden kann, wenn nämlich die entsprechende Willenserklärung eine Pflicht des Rechtsverletzers wäre, deren Erfüllung nach einer Interessenabwägung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. § 679 BGB).

Interessant ist, dass der Senat aber jedenfalls selbst süffisant feststellt, die politisch gewollte Beschränkung der Ermächtigung zur Auskunftserteilung „mag wenig nachvollziehbar sein“ und eine Ausweitung auf Persönlichkeitsrechte gar „wünschenswert“. Der erkennende Senat verweist insoweit aber auf den Gesetzgeber.

Und in der Tat scheint dieser dann wohl im Hinblick auf die in der anwaltlichen Praxis zu konstatierende Zunahme von Missbrauchsfällen gefordert. Wer in der Zwischenzeit als Betroffener die Anmeldedaten (und damit freilich nur im besten Fall: die Identität) des Verletzers beauskunftet haben möchte, dem bleibt demnach nur der Gang zur Staatsanwaltschaft unter dem Gesichtspunkt der Beleidigung oder Verleumdung – mit tatbestandlichen Anforderungen, denen aber häufig nicht alle gleichwohl kreditgefährdenden oder jedenfalls geschäftsschädigenden Äußerungen entsprechen werden.

 

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 11.01.2013 – 11 O 172/12 –
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 26.06.2013 – 4 U 28/13 –