Aus gegebenem Anlass weisen wir darauf hin, dass derzeit die Gerichte die Frage, ob (Marketplace-)Händler auf Amazon für etwaige Wettbewerbsverstöße von Amazon haften, offenbar uneinheitlich beantworten.
Wohingegen zum einen das Landgericht Köln (Urt. v. 24.06.2014 – Az.: 33 O 21/14) und offenbar auch das Oberlandesgericht Köln (Beschl. v. 23.09.2014 – Az.: 6 U 115/14) die – aus hiesiger Sicht: befremdliche – Auffassung vertreten, dass „der Händler nicht auf die Praxis bei Amazon verweisen könne, sondern zur Vermeidung einer Inanspruchnahme entweder die beanstandete Werbung einstellen oder bei Amazon auf eine Änderung der Angaben hinwirken müsse“,
verhält es sich zum anderen aber nach der Auffassung des Landgericht Arnsberg (Urt. v. 30.10.2014 – Az.: I-8 O 121/14) ganz anders: Es könne hier „eine Störereigenschaft nicht bejaht werden“, denn wettbewerbsrechtlicher Störer sei nur, wer willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt – was das Landgericht Arnsberg im Falle einer wettbewerbswidrigen Weiterempfehlungsfunktion von Amazon im Hinblick auf die aber nur rein tatsächliche Nutzung eines Portalangebotes (welches lediglich „automatisch“ zur Folge hat, dass die sog. „Weiterempfehlungsfunktion“ aktiviert wird) partout nicht erkennen wollte.
Interessant sind vor allem – vielleicht auch als kleiner Seitenhieb auf die geschätzten Kölner Kollegen – die Ausführungen der Arnsberger Kammer dahingehend, dass für den Händler ja tatsächlich nur die Möglichkeit bestanden hätte, den Erfolg – Aktivierung der Weiterempfehlungsfunktion – dadurch zu verhindern, indem er völlig von der Nutzung der Plattform „amazon.de“ abgesehen hätte. Das aber könne „weder rechtlich gefordert werden“ noch sei dies „geschäftlich zumutbar“ (unter Hinweis auf BGH, GRUR 2011, 152 ff.). Und „ergänzend“ weist die Kammer gleich auch noch darauf hin, dass sie sich der Ansicht anschlösse, wonach im Übrigen aber auch ein Anspruch wegen Unterlassens von etwaig rechtlich gebotenen Maßnahmen dann nicht gegeben ist, wenn wie im entschiedenen Fall dem (vermeintlich) Verletzten ein unmittelbares Vorgehen gegen den „eigentlichen“ Verletzer möglich und zumutbar ist – also hier gegen Amazon direkt (unter Hinweis auf die Ausführungen bei Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 8 Rdrn. 2.11 m. w. N.).
Wie ist es nun?
„Gierige Abmahnanwälte“ (wo man doch nur einmal Amazon abmahnen müsste?) gegen „Amazon hilflos ausgelieferte Shopbetreiber“ (die ja nicht mit vorgehaltener Waffe gezwungen werden, rechtswidrige Angebote in Anspruch zu nehmen?) – wohin schlägt die Waage aus?
Unser Kommentar:
Nach der zwischenzeitlichen Aufgabe der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht kann als „Störer“ jedenfalls nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH für die Fälle des sogenannten Verhaltensunrechts, um die es bei Wettbewerbsverstößen geht (und in denen keine Verletzung eines absoluten Rechts in Rede steht), die Passivlegitimation allein nach den (deliktsrechtlichen) Kategorien der Täterschaft und Teilnahme begründet werden (Urteil vom 22. Juli 2010 I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 48 = WRP 2011, 223 Kinderhochstühle im Internet I; Urteil vom 12. Juli 2012 I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rn. 49 = WRP 2013, 491 Solarinitiative, und BGH Urt. v. 18.06.2014 – I ZR 242/12).
Eine Haftung des Händlers auf Amazon für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm bloß in Anspruch genommenen Portalleistungen und den damit zwangsläufig verbundenen Voreinstellungen besteht demnach nur dann, wenn er daran entweder durch positives Tun „beteiligt“ war (was nun unstreitig nicht der Fall ist), oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen.
Allein aber die Inanspruchnahme der Portaldienstleistungen von Amazon (als der wohlgemerkt weltweite Marktführer der Einzelhandels-Websites) und die allgemeine Verantwortlichkeit für das Einstellen von Angeboten als solche – ohne dass überhaupt die technische Option besteht, die wettbewerbswidrige Einstellung zu vermeiden – begründen aber keine Verpflichtung des Händlers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße von Amazon verhindern. Nur dann, wenn der Händler in seiner Verantwortung als Anbieter auf dem Portal überhaupt selbst eine rechtswidrige Einstellung „ins Werk gesetzt hätte“, bestünde nach allgemeinen Grundsätzen von Täterschaft und Teilnahme eine „Garantenstellung“, für die er auch in Anspruch genommen werden könnte. So liegt die Fallkonstellation hier aber nicht; die anderweitige Auffassung der Kölner Gerichte ist vor diesem Hintergrund schon eine „friss oder stirb“-Judikatur und damit eine ausgesprochene Achselzuckerei, die an der ökonomischen Wirklichkeit vorbeigeht.
Dem Landgericht Arnsberg ist wohl also im Ergebnis schon zuzustimmen, wenngleich die „veraltete“ Störerhaftungs-Begründung nach hiesiger Auffassung rechtssystematisch fragwürdig ist.
Da die Abmahnkanzlei nun fraglos in Berufung gehen wird, darf man gespannt sein – denn auch das dann zuständige OLG Hamm ist in Fachkreisen für recht eigene Meinungen und Wege bekannt.
Wir werden hier interessiert vom Verlauf berichten.