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Nach einer neuen Entscheidung des 1. Zivilsenates beim BGH (Urt. v. 15.08.2013 – I ZR 80/12) ist ein sog. File-Hosting-Dienst zu einer umfassenden regelmäßigen Kontrolle der Linksammlungen verpflichtet, die auf seinen Dienst verweisen, wenn er durch sein Geschäftsmodell Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang Vorschub leistet. Dies soll nach der Rechtsauffassung des BGH insbesondere dann der Fall sein, wenn sein Umsatz gerade durch massenhafte Downloads erhöht wird, für die vor allem zum rechtswidrigen Herunterladen bereitstehende Dateien mit geschützten Inhalten attraktiv sind, und wenn die Möglichkeit besteht, den Dienst anonym in Anspruch zu nehmen.

Zum Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt einen File-Hosting-Dienst und stellt unter der Internetadresse www.rapidshare.com Speicherplatz im Internet zur Verfügung. Die Nutzer des Dienstes können eigene Dateien auf der Internetseite der Beklagten hochladen, die dann auf deren Servern abgespeichert werden. Dem Nutzer wird ein Link übermittelt, mit dem die abgelegte Datei aufgerufen werden kann. Die Beklagte kennt aber weder den Inhalt der hochgeladenen Dateien, noch hält sie ein Inhaltsverzeichnis der Dateien vor. Spezielle Suchmaschinen (sog. Linksammlungen) gestatten aber, nach bestimmten Dateien auf den Servern der Beklagten zu suchen.

Die klagende Verwertungsgesellschaft GEMA nimmt die Verwertungsrechte von Musikurhebern (Komponisten und Textdichtern) wahr und machte geltend, 4.815 im Einzelnen bezeichnete Musikwerke seien ohne ihre Zustimmung über den Dienst der Beklagten öffentlich zugänglich gemacht worden und könnten dort heruntergeladen werden. Die Klägerin sah darin eine Urheberrechtsverletzung und verlangte von der Beklagten Unterlassung.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt, und auch die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg:

Der BGH hatte bereits in einem früheren Fall (BGH 12.7.2012, I ZR 18/11 – „Alone in the Dark“) entschieden, dass File-Hosting-Dienste für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer als Störer auf Unterlassung in dem Fall haften, wenn sie nach einem Hinweis auf eine klare Urheberrechtsverletzung die ihnen obliegenden Prüfungspflichten nicht einhalten und es deswegen zu weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen kommt.

Bei der Konkretisierung dieser Prüfungspflichten war im vorliegenden Fall nun zwar zu konzedieren, dass das Geschäftsmodell der Beklagten nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt ist. Denn es gibt für den Dienst zahlreiche legale und übliche Nutzungsmöglichkeiten. Allerdings hatte bereits das Oberlandesgericht Hamburg als Vorinstanz festgestellt, dass die Beklagte die Gefahr einer urheberrechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes durch eigene Maßnahmen gefördert hat. Daraus war nach Ansicht des Obergerichts eine gegenüber der BGH-Entscheidung „Alone in the Dark“ verschärfte Haftung der Beklagten abzuleiten.

Anders als andere Dienste etwa im Bereich des „Cloud Computing“ verlangt die Beklagte kein Entgelt für die Bereitstellung von Speicherplatz. Sie erzielt ihre Umsätze vielmehr nur durch den Verkauf sog. Premium-Konten. Die damit verbundenen Komfortmerkmale führen dazu, dass die Beklagte ihre Umsätze gerade durch massenhafte Downloads erhöht, für die vor allem zum rechtswidrigen Herunterladen bereitstehende Dateien mit geschützten Inhalten attraktiv sind. Diese Attraktivität für illegale Nutzungen wird durch die Möglichkeit gesteigert, den Dienst der Beklagten anonym in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte ging selbst von einer Missbrauchsquote von 5 bis 6 Prozent aus, was bei einem täglichen Upload-Volumen von 500.000 Dateien einer atemberaubenden Anzahl von ca. 30.000 urheberrechtsverletzenden Nutzungshandlungen entspricht.

Der BGH bestätigte unter diesen Umständen die verschärfte Haftung der Beklagten: Bei der Bestimmung des Umfangs der Prüfpflichten sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes durch eigene Maßnahmen fördert. Ist dann die Beklagte auf konkrete Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer hinsichtlich bestimmter Werke hingewiesen worden, so ist sie deshalb nicht nur verpflichtet, das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren; sie muss darüber hinaus fortlaufend alle einschlägigen Linksammlungen darauf überprüfen, ob sie Links auf Dateien mit den entsprechenden Musikwerken enthalten, die auf den Servern der Beklagten gespeichert sind. Die Beklagte hat über allgemeine Suchmaschinen wie Google, Facebook oder Twitter mit geeigneten Suchanfragen und ggf. auch unter Einsatz von sog. Webcrawlern zu ermitteln, ob sich für die konkret zu überprüfenden Werke Hinweise auf weitere rechtsverletzende Links zu ihrem Dienst finden.

Der BGH stellte des Weiteren klar, dass diese umfangreiche Prüfpflichten im selben Umfang für jedes Werk, hinsichtlich dessen die Beklagte auf eine klare Verletzung hingewiesen worden ist, bestehen und nicht etwa dadurch geringer werden, dass die Beklagte auf eine große Zahl von Rechtsverletzungen – im Streitfall auf die Verletzung der Rechte an mehr als 4.800 Musikwerken – hingewiesen worden ist. Denn der urheberrechtliche Schutz dürfe nicht dadurch geschwächt werden, dass es im Rahmen eines an sich zulässigen Geschäftsmodells zu einer großen Zahl von Rechtsverletzungen kommt.

(vgl. auch BGH Verfahren I ZR 79/12 und BGH I ZR 85/12 )

Vorinstanzen:
OLG Hamburg – Urteil vom 14. März 2012 – 5 U 87/09, MMR 2012, 393
LG Hamburg – Urteil vom 12. Juni 2009 – 310 O 93/08, ZUM 2009, 863

Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs (PM Nr. 143/2013)