Sprachwerke – und damit Schriftwerke, deren Inhalt durch Schriftzeichen geäußert werden – erfahren nach § 2 Abs.1 Nr. 1 UrhG urheberrechtlichen Schutz, wenn diese aufgrund ihrer Darstellungsform oder wegen des Inhaltes eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. Für die urheberrechtliche Schutzfähigkeit ist es dabei nicht genügend, dass etwa ein origineller Gedanke oder ein Wortwitz konzediert werden kann – erforderlich ist eine besondere individuelle sprachliche Gestaltung.
Eben dies musste die Klägerin in einem Verfahren vor dem Landgericht Bielefeld (Beschl. v. 03.01.2017 – Az.: 4 O 144/16) feststellen, bei dem es um einen Twitter-Feed folgenden Inhalts ging (den die Beklagte wortgleich auf „Postkarte“ abgedruckt und vervielfältigt haben sollte):
„Wann genau ist aus „Sex, Drugs & Rock n Roll“ eigentlich „Laktoseintoleranz, Veganismus und & Helene Fischer“ geworden?“
Die vom Kläger beanstandete Verletzung seiner Urheberrechte und damit hinreichende Erfolgsaussichten seiner Unterlassungsklage vermochte das Landgericht indes nicht zu erkennen: Denn zwar setze ein urheberrechtlich geschütztes Werk grundsätzlich keinen „Mindestumfang“ voraus. Gleichwohl könne die Kürze einer Äußerung als gewisses Indiz gegen einen Urheberrechtsschutz gelten, da damit der individuelle Gestaltungsspielraum für die notwendige Schöpfungshöhe reduziert sei. Je länger ein Text sei, desto umgekehrt größer wären dagegen die Gestaltungsmöglichkeiten, so dass umso eher eine hinreichende eigenschöpferische Prägung erkannt werden kann.
Im vorliegenden Fall würde sich der kurze Text, der aus einem einzelnen Satz bestehe, lediglich „schlagwortartigen Begriffen aus dem alltäglichen und aktuellen Sprachgebrauch“ bedienen. Auch der damit verbundene Sprachwitz genüge nicht, um die notwendige Gestaltungshöhe und einen Urheberrechtsschutz als Sprachwerk zu begründen (vgl. auch OLG Köln, Urt. v. 08.04.2016 – Az.: 6 U 120/15). Vielmehr entspräche der Tweet einem urheberrechtlich nicht schutzfähigen bloßen Slogan; aber auch die Werbewirksamkeit und Schlagkraft einer Werbeaussage reiche für sich genommen eben nicht zum Urheberrechtsschutz aus (zumal bei Aussagen aus dem vorbekannten Stilfundus der Werbeansprache auch die berühmte „kleine Münze“ gerade nicht gälte).
[dropshadowbox align=“none“ effect=“raised“ width=“px“ height=“px“ background_color=“#ffffff“ border_width=“1″ border_color=“#dddddd“ rounded_corners=“false“ inside_shadow=“false“ ]Anmerkung: Diese natürlich zutreffende Entscheidung des LG Bielefeld sollte allerdings keinesfalls (wie anderenorts bereits zu lesen) zum Anlass genommenen werden, den „Tweets“ aufgrund ihrer prägnanten Kürze in Bausch und Bogen die Urheberrechtsfähigkeit abzusprechen. Denn die Feststellung der Schöpfungshöhe ist nun gerade bewusst formatunabhängig, und Formate ändern sich im steten Wandel der Kommunikationsformen. Die „Verschlagwortung“ oder „Verdichtung“ von Inhalten in neuen Medien kann selbstverständlich außerhalb eines alltags- oder werbesprachlichen Gebrauchs – nicht nur aber auch: künstlerisch – zu einer hinreichenden Schöpfungshöhe führen.[/dropshadowbox]