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In der Vergangenheit haben Kläger, die glaubten, ihre Rechte seien durch Verbreitungs- bzw. Veröffentlichungshandlungen über bzw. im Internet verletzt, sich in Deutschland die gerichtliche Zuständigkeit bequemer Weise „aussuchen“ können: Die Zuständigkeit nach § 32 ZPO unter dem Gesichtspunkt des sog. „fliegenden Gerichtsstandes“ eröffnete weithin anerkannt vor dem Hintergrund der ubiquitären Verfügbarkeit der geschützten Inhalte insoweit faktisch ein „Wahlrecht“, welches häufig am Sitz des Rechteinhabers, seiner Rechtsanwälte oder eben dort ausgeübt wurde, wo die Judikatur erfahrungsgemäß eine wohlwollende Behandlung der Anspruchsbegründung versprach.

Dieser gängigen Praxis ist letztens unter beachtlicher Aufmerksamkeit der Fachkreise in verschiedenen Entscheidungen des Amtsgerichtes Frankfurt zu sog. „Filesharing“-Fällen einschränkend entgegengetreten: Nur dort, wo sich der behauptete Rechtsverstoß in dem konkreten Verhältnis der Prozessparteien bestimmungsgemäß habe auswirken können, sei ein besonderer, deliktischer Gerichtsstand eröffnet.

Bei Filesharing-Fällen sei diese Sachnähe – so das Amtsgericht – aber nur an dem Ort gegeben, wo das Download-Angebot bereitgehalten wird, aber z. B. nicht, wo die Klägerin „ihre Ermittlungen“ betreibe (vorliegend also in Frankfurt a. M.). Das Amtsgericht grenzte dabei die Filesharing-Angebote von anderen Online-Angeboten im Internet ab: Bei Filesharing-Angeboten habe der Verletzer keinen Einfluss auf deren Verbreitung und könne den Adressatenkreis nicht begrenzen. Bei Internetseiten im World Wide Web hingegen habe der Anbieter Einfluss auf die Sprache des Angebots, die gegebenen Inhalte, die technische Abrufbarkeit mit den verschiedenen Browserprogrammen sowie durch Versandbeschränkungen. Die technischen Besonderheiten des Filesharing-Angebots würden es nicht rechtfertigen, den Beklagten den Nachteilen einer unbeschränkten Gerichtswahl auszusetzen (im Gegensatz zum sog. Allgemeinen Gerichtsstand, also regelmäßig dem (Wohn-)Sitz des Beklagten).

Durch eine neuere Entscheidung des Landgerichtes Frankfurt a. M. (LG Frankfurt a. M., Urt. v. 18.07.2012, Az.: 2-06 S 3/12, als Berufungsinstanz in einem der vorbeschriebenen Fälle) wurde diese Auffassung nun korrigiert: Das LG Frankfurt stelle nämlich fest, dass die zitierte „bestimmungsgemäße Auswirkung“ anders als noch die Vorinstanz meinte, sehr wohl „überall“ in Deutschland, insbesondere auch in Frankfurt, vorliegen könne.

In der Begründung differenzierte die erkennende Kammer zwischen dem, was rechtspolitisch wünschenswert erscheine, und dem, was nach der gesetzgeberischen Intention und ständiger Rechtsprechung insoweit entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Anwendbarkeit von § 32 ZPO sei: die bestimmungsgemäße „Abrufbarkeit“. Danach sei zwar zutreffender Weise die Tatsache, dass ein Internet-Angebot an einem bestimmten Ort abrufbar ist, grundsätzlich nicht ausreichend, um eine Zuständigkeit nach § 32 ZPO zu begründen. Vielmehr sei zumindest ein hinreichender Bezug zum Gerichtsbezirk dergestalt erforderlich, dass eine bestimmungsgemäße Auswirkung hier eintritt.

Das Landgericht führte insoweit aus, dass derjenigen, der nach dem jeweiligen Klägervortrag an einem bestimmten Ort in eine bundesweit abrufbare Tauschbörse einen Titel einstellt, nicht nur wisse, sondern auch gerade bezwecke, dass das „Angebot“ zur Vervielfältigung dieser Datei von möglichst vielen Menschen an möglichst vielen Orten im gesamten Bundesgebiet angenommen wird. Zweck des „Filesharing“-Systems sei es gerade, durch eine möglichst hohe Zahl an Teilnehmern die Auswahl und das Verbreitungsgebiet zu vergrößern. Der Nutzer einer solchen Tauschbörse beabsichtige daher nicht, dass lediglich die Nutzer im Bezirk seines Wohnsitzgerichtes oder dem Sitzgericht des Rechteinhabers die Datei herunterladen, sondern gerade möglichst umfassend in der gesamten Bundesrepublik und der gesamten Welt. Die Tatsache, dass der Nutzer den Verbreitungsort aufgrund der „technischen Zwänge“ einer Tauschbörse im Peer-to-Peer-Netzwerk nicht beeinflussen kann, führe nicht zu seiner Privilegierung. Nach Auffassung des Landgerichtes hat vielmehr die Nutzung derartiger Netzwerke in voller Kenntnis ihrer enormen Verbreitungsdimension dann eben auch die Ausweitung möglicher Gerichtsstände zur Folge. Die Vermehrung der möglichen Gerichtsstände sei insoweit nur das Spiegelbild der Vermehrung der Verbreitungsmöglichkeit durch File-Sharing-Netzwerke.

Die Tatsache aber, dass die sich aus dieser Sicht ergebende örtliche Zuständigkeit einer Vielzahl von ordentlichen Gerichten zu einer freien Wahl des Gerichtstandes durch die klagende Partei führt, ist de lege lata nicht zu beanstanden. Die Möglichkeit eines „Wahlrechtes“ sei im Übrigen – auch innerhalb des besonderen, „deliktischen“ Gerichtsstandes – weder neu noch „sachlich ungerechtfertigt“ (insbesondere unter Hinweis auf BGH NJW 1977, 1590 – Profil; BGHZ 131, 335; OLG Frankfurt NJW-RR 1989, 491).

Das Landgericht ließ die Revision zum BGH nicht zu. Der Streit um die Ablehnung des „fliegenden Gerichtsstand“ mit allerdings unterschiedlichen Begründungen im Einzelfall dürfte damit in Fachkreisen nicht etwa zu Ende sein – bis der Gesetzgeber ein Einsehen hat und für Klarheit sorgt. Die Kollegen sind in der Zwischenzeit gut beraten, die Risiken des „Wahlrechtes“ bei der Bestimmung des Gerichtsstandes in ihrer Empfehlung an den Mandanten abzuwägen.