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Zur häufig gestellten Frage, inwieweit Eltern ihrer Aufsichtspflicht zur Überwachung der Internetnutzung ihrer minderjährigen Kindern genügen, reichen wir noch eine Entscheidung des BGH (Urt. v. 15.11.2012; Az.: I ZR 74/12) nach:

Im konkreten Fall hatten die beklagten Eltern ihrem (13-jährigen) Sohn einen PC mit Internetzugang zur Verfügung gestellt, der diesen dann auch eifrig nutzte. Es wurde festgestellt, dass von dort 1.147 Audiodateien in einer Internettauschbörse zum kostenlosen Herunterladen angeboten wurden. Im Rahmen der Ermittlungen wurde festgestellt, dass auf dem fraglichen PC-Tauschbörsenprogramme (u.a. „Morpheus“) installiert waren; auf dem Desktop war das Symbol eines dieser Programme zu sehen.

Die ausschließlichen Rechteinhaber an den betroffenen Musikwerken (Tonträgerhersteller) nahmen die Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht in Anspruch. Diese gaben zwar eine (modifizierte, indes strafbewehrte) Unterlassungserklärung ab, verweigerten aber die Zahlung von Schadensersatz und die Erstattung von Abmahnkosten. Über eben diese Ansprüche hatte der BGH zu befinden; die Vorinstanzen (Landgericht und Oberlandesgericht Köln) gaben diesen noch vollumfänglich statt. Erfreulicher Weise wies der BGH dagegen die Klage ab: Das ausschließliche Recht der Klägerinnen, die fraglichen Musikwerke öffentlich zugänglich zu machen (§§ 85 I 1 Fall 3, 78 I Nr. 1 UrhG) stand außer Streit. Der BGH ging deshalb zwar davon aus, dass eine widerrechtliche Verletzung gemäß § 97 UrhG vorliegt und folglich eine Schadensersatzpflicht der Eltern gemäß § 832 I 1 BGB in Betracht kommt. Aus dem Erziehungsgrundsatz des § 1626 II 1 BGB, wonach das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem und verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen sei, folge aber, dass bereits eine Belehrung über die Gefahr von Rechtsverletzungen bei der Nutzung des Internets genügt. Alter und Einsichtsfähigkeit des Kindes seien nur bei Inhalt und Umfang der Belehrung zu berücksichtigen. Die Auffassung, dass die Belehrung durch technische Schutzmaßnahmen auf dem Computer und eine laufende Kontrolle begleitet sein müsse, sei abzulehnen.

Nach Auffassung der obersten Richter genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes minderjähriges Kind (das also ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt), regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Dies konnten die beklagten Eltern im entschiedenen Fall hinlänglich glaubhaft machen. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

Anmerkung:

Dies ist nun bereits seit längerem der „rote Faden“ des BGH zu der Frage der Störerhaftung von Eltern im Zusammenhang mit Internet-Rechtsverletzungen. Wieso man dies in Köln offenbar anders gesehen hat, erschließt sich nicht. Der BGH sieht weiterhin keine spezifische Gefahrenlage für Urheberrechte bei der Nutzung des Internet durch Kinder; er wendet daher zutreffender Weise dieselben Maßstäbe an, wie sie beispielsweise für Gefahrenlagen des Straßenverkehrs oder auch des Umgangs mit Feuer seit langem gelten. Erst dann, wenn (regelmäßig von dritter Seite) eine Verletzungshandlung aufgezeigt wird, greift der Verhaltensappel unmittelbar bei den Eltern: Erst dann müssen Eltern handeln und zukünftig auch kontrollieren (ähnlich die Grundsätze zur Providerhaftung, siehe § 7 Abs. 2 TMG).