Nach einem Beschluss des OLG Hamm vom 20.05.2012 (27 W 41/12) ist einem Angehörigen eines Presseorgans für eine verdeckte Recherche die Einsichtnahme in die vollständigen Handelsregisterakten einer Firma zu gestatten (Sonder- und Hauptband). Zum Schutz der Recherche kann es geboten sein, der betroffenen Firma das Akteneinsichtsgesuch nicht mitzuteilen.
Der Sachverhalt: Der Antragsteller ist Journalist. Er begehrte für eine verdeckte Recherche zum Umgang mit öffentlichen Fördergeldern für ein Weltkulturerbeprojekt die vollständigen Handelsregisterakten einer in Essen ansässigen Firma einzusehen. Er berief sich dafür auf das Grundrecht der Pressefreiheit als Recherchefreiheit.
Das AG wies den Antrag bezüglich der Register Hauptakten mit grundsätzlichen Erwägungen ab und verwies den Antragsteller auf sein Einsichtsrecht in die gem. § 9 HGB öffentlich zugänglichen Teile der Registerakte. Der Gestattung weitergehender Einsicht gem. § 13 Abs. 2 FamFG stünden trotz eines grundsätzlich zu bejahenden berechtigten Interesses der Presse schutzwürdige Interessen der Beteiligten entgegen, da sich in den im Hauptband abgelegten Dokumenten Interna befinden könnten, die Außenstehenden nicht zur Kenntnis zu bringen sind.
Das AG half der hiergegen gerichteten Beschwerde des Antragstellers nicht ab. Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers hob das OLG den Beschluss auf und gestattete dem Antragsteller die Einsichtnahme in die Handelsregisterakten einschließlich der Hauptakten. Es stellte zudem fest, dass die betroffene Firma bzw. ihr Inhaber hierüber nicht gesondert zu informieren sind. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Die Gründe: Die Beschwerde, über die jedenfalls zum Schutz der Gesamtrecherche des Antragstellers ohne Beteiligung des im Register eingetragenen Handelsunternehmens zu entscheiden war, hat in der Sache Erfolg. Ausgehend von der BVerfG-Rechtsprechung zur Pressefreiheit hatte der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme, das nach der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift des § 13 FamFG das unbeschränkte Einsichtsrecht begründet. Das berechtigte Interesse bestand, weil das Einsichtsgesuch auf die Beschaffung journalistisch verwertbarer Informationen über irgendwie geartete Verflechtungen zwischen Firmen gerichtet war, die von der Gewährung öffentlicher Fördergelder für das Weltkulturerbeprojekt profitiert hatten. Es war somit der publizistischen Vorbereitungstätigkeit zuzuordnen, die vom Schutzbereich der Pressearbeit erfasst wird.
Die beantragte Akteneinsicht war für die beabsichtigte Recherche generell geeignet. Es war nicht ausgeschlossen, dass Informationen zu dem Gegenstand der Recherche mittelbar auch dem nicht öffentlichen Hauptband der Handelsregisterakten entnommen werden konnten. Eine Beurteilung der von der Presse insoweit beabsichtigten Prüfung hatte das Registergericht nicht vorzunehmen.
Das bei der Prüfung zu berücksichtigende allgemeine Persönlichkeitsrecht der betroffenen Firma und ihrer Organe rechtfertigte keine Versagung der Akteneinsicht. Denn bereits der öffentliche Teil der Handelsregisterakten eröffnet eine weite Einsichtsmöglichkeit zu Lasten der Eingetragenen. Über diese offenen Angaben hinaus waren im nicht öffentlichen Hauptband wenige persönlich sensible Angaben zu erwarten. Der Schutz der beabsichtigten Recherche verbot es letztlich im vorliegenden Fall, die betroffene Firma oder ihre Organe zum Akteneinsichtsgesuch anzuhören.
Hintergrund: Öffentlich zugänglich sind neben den Angaben des Handelsregisters selbst die zum Register eingereichten Schriftstücke, das sind die im Sonderband zu führenden Handelsregisteranmeldungen einer Firma mit den hierzu eingereichten Anlagen sowie Belege und Unterlagen einer Eintragung. Demgegenüber sind Schriftstücke, die aufgrund einer eigenen Tätigkeit des Registergerichts entstanden sind, im nicht öffentlich zugänglichen Hauptband abzulegen.
Quelle: OLG Hamm PM v. 7.6.2013