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Die sog. „Beschwer“ im Berufungsverfahren ist der Wert des Beschwerdegegenstandes, d. h. der Betrag, um den derjenige, der Berufung einlegt, behauptet, durch das erstinstanzliche Urteil in seinem Recht „verkürzt“ zu sein. Die Höhe dieses Betrages entscheidet darüber, ob gegen ein Urteil zulässiger Weise Berufung eingelegt werden kann, ohne dass das erstinstanzliche Gericht die Berufung ausdrücklich zulassen muss (die Grenze liegt derzeit bei 600,- €, siehe § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

In einem Urteil des BGH vom 24.01.2013 (I ZR 174/11) hat dieser nun deutlich gemacht, dass diese Beschwer des Schuldners eines zur Unterlassung verpflichtenden Urteils sich danach richtet, in welcher Weise sich das ausgesprochene Handlungsverbot zu seinem Nachteil auswirkt. Bei der Bestimmung dieser Beschwer wäre nicht danach zu unterscheiden, ob die Parteien auch über das (materiell-rechtliche) Bestehen einer Unterlassungspflicht streiten oder nur über bereits erfolgte Verstöße gegen eine unstreitig bestehende Unterlassungspflicht.

Zum Sachverhalt:

In dem entschiedenen Fall hatte ein Landgericht der Unterlassungsklage eines Telefon- und Internetproviders gegen einen Wettbewerber stattgegeben, wonach dieser eine „gezielte unlautere Behinderung“ (durch vermeintlich unzureichende Aufklärung über die Rechtswirkungen der Unterschrift von Verbrauchern im Zusammenhang mit einem sog. Postident-Verfahren) zu unterlassen habe.

Bemerkenswert ist nun aber, dass im Zuge der angestrengten Berufung das angerufene Obergericht das Rechtsmittel bereits als unzulässig verworfen hatte, da der Wert der Beschwer 600,- € nicht übersteige. Begründet wurde dies damit, dass nach den Berufungsanträgen und der Begründung nicht darum gestritten würde, ob die Unterlassungspflicht überhaupt bestehe, sondern nur darüber, ob gegen eine solche Pflicht verstoßen worden sei. In diesem Fall richte sich die Beschwer der Beklagten (als Unterlassungsschuldnerin) allenfalls nach dem Aufwand und den Kosten, die ihr dadurch entstehen könnten, dass sie dem Unterlassungstitel konkret nachkomme. Die Beklagte hatte aber in der Berufung nicht dargelegt, dass insoweit Aufwand und Kosten die Grenze der 600,- € übersteigen würden.

Auf die gegen diese Entscheidung (nach Zulassung durch das Berufungsgericht) eingelegte Revision hob der BGH dieses seltsame Verdikt auf und verwies die Sache indes zur weiteren Entscheidung an das Berufungsgericht zurück:

Denn für Frage der „Beschwer“ im Sinne des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei der Umfang des vom Schuldner zu erfüllenden Unterlassungsgebotes und damit die relevante Einschränkung seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit maßgebend. Die in eben dieser Einschränkung liegende Beschwer wird nach Auffassung des BGH nicht etwa dadurch geringer, dass die zur Unterlassung verurteilte Beklagte lediglich in prozessualer Hinsicht die tatsächlichen Voraussetzungen des konkreten Unterlassungsanspruches, d. h. den für die Begehungsgefahr erforderlichen Verletzungsfall als solchen bestreitet – und nicht (auch) die Rechtsansicht vertritt, der von der klagenden Partei behauptete Verletzungsfall erfülle ohnehin nicht die Tatbestandvoraussetzungen der Verbotsnorm.

Diese Klarstellung ist zu begrüßen, denn anderenfalls wäre die unterliegende Partei letztlich aus Gründen der prozessualen Vorsicht gezwungen, unabhängig von materiell-rechtlichen Gesichtspunkten nicht nur den Verletzungsfall als solchen in Abrede zu stellen, sondern in jedem Fall immer auch die Subsumtion des Verletzungsfalles unter die Voraussetzungen der Verbotsnorm.