Für Klagen auf Zahlung von Abmahnkosten gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, die auf einem wettbewerbswidrigen Verhalten wie z. B. der wettbewerbswidrigen Verwendung einer Widerrufsbelehrung beruhen, sind die Landgerichte sachlich zuständig. Dies wäre nun keine neue Erkenntnis, die eine Meldung wert wäre, sondern ergibt sich zweifelsfrei aus dem Gesetz: § 13 UWG.
Rechtlich interessant wird es aber dann, wenn diese eindeutige Zuständigkeitsregelung nun partout nicht von dem angerufenen Amtsgericht erkannt wird, welches an ein anderes (unzuständiges) Amtsgericht verweist. In einem schon recht bemerkenswerten Verfahren vor dem OLG Hamm hatte dieses dann über folgenden Sachverhalt zu befinden:
Im Ausgangsfall hatte der Kläger eine Schadensersatzforderung in Höhe von 745,40 € nebst Zinsen für ihm entstandene Rechtsanwaltskosten einer Abmahnung im Wege eines Mahnbescheidsverfahrens geltend gemacht. Nachdem nun die Beklagte gegen diese Forderung Widerspruch eingelegt hatte, wurde das Verfahren an das im Mahnbescheid angegebene Abgabegericht, das Amtsgericht Essen (in dessen Bezirk die von dem Kläger angegebene Anschrift der Beklagten liegt) abgegeben.
Das Amtsgericht Essen sah sich nun aus nicht recht nachvollziehbaren Gründen veranlasst, den Kläger darauf hingewiesen, dass Streitigkeiten nach dem Urhebergesetz gem. § 105 UrhG i.V.m. § 2 DeUrhMRZusVO NRW dem Amtsgericht Bochum zugewiesen wären. Nicht recht nachvollziehbar deshalb, da der Anspruch erkennbar nicht auf irgendeinen urheberrechtlichen Anspruch gestützt wurde – worauf der Kläger auch ausdrücklich hinwies, gleichwohl hilfsweise einen Antrag auf Verweisung an das Amtsgericht Bochum stellte.
Nachdem nun die Beklagte der Verweisung zustimmte, verwies das Amtsgericht Essen den Rechtsstreit durch Beschluss an das besagte Amtsgericht Bochum mit der – unbestrittenen – Sonderzuständigkeit für Urheberrechtsstreitsachen im Sinne von § 104 UrhG. Das Amtsgericht Bochum zeigte sich naheliegender Weise irritiert und lehnte seinerseits wiederum durch Beschluss die Übernahme des Rechtsstreits ab: Die Verweisung sei offensichtlich willkürlich erfolgt.
In dieser „Pattsituation“ (verweisendes und verwiesenes Gericht erklären sich beide rechtskräftig für unzuständig) war nun das OLG Hamm gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO im Rahmen eines sog. „Gerichtsstandsbestimmungsverfahrens“ eigentlich zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen den beteiligten Amtsgerichten berufen. In der entsprechenden Entscheidung des OLG Hamm (Urt. v. 26.06.2015 – Az.: 32 SA 29/15) wurde der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Essen dann zwar aufgehoben, aber (ggfs. auf Antrag) zur neuerlichen Weiterverweisung zurückverwiesen.
Denn die Voraussetzungen für eine Bestimmung des Gerichtsstands durch das OLG Hamm lägen nach dessen Auffassung gar nicht vor: Danach müsse eines der Gerichte, die sich für unzuständig erklärt haben, nämlich auch tatsächlich zuständig sein. Eine Gerichtsstandsbestimmung sei dagegen dann abzulehnen, wenn offenkundig ein drittes Gericht sachlich zuständig ist, aber unklar sei, welches. So aber läge der Fall hier:
Sachlich zuständig für Klagen auf Zahlung von Abmahnkosten gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG seien nun, wie eingangs bereits dargelegt, die Landgerichte. Örtlich zuständig sei dabei sowohl das Gericht, in dem der Beklagte seine berufliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat (§ 14 Abs. 1 UWG), wie auch das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Das OLG Hamm wies aber darauf hin, dass es aber nicht seine Sache sei, die Tatsachen zu ermitteln, die erforderlich sind, um zu entscheiden, ob eines der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte oder ein drittes, am Kompetenzkonflikt bisher unbeteiligtes Gericht nach dem Gesetz für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist (unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 10. August 1994 – X ARZ 689/94 -, Rn. 7, juris).
Zwar seien nun Verweisungsbeschlüsse wie vorliegend des Amtsgerichts Essen grundsätzlich bindend; und diese Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO trete auch dann ein, wenn der Verweisungsbeschluss auf Rechtsirrtum beruht oder sonst fehlerhaft ist (u. a. unter Hinweis auf st. Rspr., z.B. BGH, I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338ff. – Leitsatz – ; BGH, X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634, 3635, bei juris Rn. 13). Die Bindungswirkung entfalle jedoch ausnahmsweise insbesondere dann, wenn die Verweisung auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht oder wenn sich die Verweisung so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht mehr hingenommen werden kann (unter Hinweis auf BGHZ 102, 338, 441). So läge der Fall hier. Warum das Amtsgericht dennoch eine Streitigkeit wegen einer Urheberrechtsverletzung annahm und in seinem Irrtum verblieb, war für das OLG nicht erkennbar. Der Irrtum sei – auch wenn nicht von einer vorsätzlich falschen Verweisung auszugehen ist – aber derart evident, dass dem Verweisungsbeschluss eine Bindungswirkung ausnahmsweise nicht zukäme.
Nachdem nun im bisherigen Verfahren weder zur Niederlassung der Beklagten vorgetragen vorgetragen wurde, noch der Kläger sich über den Handlungs- oder Erfolgsort erklärt und einen Verweisungsantrag gestellt hat, sei es „zweckmäßig, den Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Essen aufzuheben, das nicht gehindert ist, die Sache an das sachlich und örtlich zuständige Gericht zu verweisen (unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 14. Februar 1995 – X ARZ 35/95 -, Rn. 6, juris).
Leitsatz der Entscheidung des OLG Hamm:
Ist keines der an einem Gerichtsstandbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO beteiligten Gerichte zuständig und steht das zuständige Gericht nicht sicher fest, verweist das mit der Gerichtsstandbestimmung befasste Gericht das Verfahren unter Aufhebung des Verweisungsbeschlusses an das zuerst verweisende Gericht zurück, damit dieses die Zuständigkeitsfrage erneut prüfen und entscheiden kann.