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In einer in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Entscheidung vom gestrigen Tage (Urt. vom 17.07.2013 – I ZR 52/12) hat der 1. Zivilsenat des BGH festgestellt, dass zwar die von Astrid Lindgren in ihren Kinderbüchern geschaffene Figur der „Pippi Langstrumpf“ als Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG Urheberrechtsschutz genießt:

Der unter anderem für Urheberrechtsfragen zuständige Senat unter Vorsitz von Prof. Dr. Dr. h.c. Bornkamm sah als Voraussetzung für den Schutz eines fiktiven Charakters als solchem, dass der Autor dieser Figur durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht. Dies sei bei der Figur der „Pippi Langstrumpf“ der Fall: Schon die beschriebenen äußeren Merkmale fielen demnach „aus dem Rahmen“ (karottenfarbene Haare, die zu zwei abstehenden Zöpfen geflochten sind, eine Nase voller Sommersprossen, die die Form einer kleinen Kartoffel hat, breiter lachender Mund, gelbes Kleid, darunter eine blaue Hose, ein schwarzer und ein geringelter Strumpf, viel zu große Schuhe). Dazu treten ganz besondere Persönlichkeitsmerkmale: Trotz schwieriger familiärer Verhältnisse ist Pippi Langstrumpf stets fröhlich; sie zeichnet sich durch eine ausgeprägte Furcht- und Respektlosigkeit, gepaart mit Fantasie und Wortwitz, aus und verfügt über übermenschliche Kräfte.

Anders als noch die Vorinstanz sieht der BGH aber im Streitfall keine Verletzung dieses Urheberrechts. Denn zwar würde der Betrachter erkennen, dass es sich bei den Figuren in der Werbung der Beklagten um Pippi Langstrumpf handeln soll. Dies würde aber nichts daran ändern, dass diese in der Werbung verwendeten Figuren nur wenige Merkmale übernehmen, die für den urheberrechtlichen Schutz der literarischen Figur der Pippi Langstrumpf maßgeblich sind. Der Schutz einer literarischen Figur als Sprachwerk kommt nur dann in Betracht, wenn diese Figur durch eine unverwechselbare Kombination äußerer Merkmale, Charaktereigenschaften, Fähigkeiten und typischen Verhaltensweisen beschrieben wird. Das Urheberrecht an einer solchen Figur wird nicht schon dadurch verletzt, dass lediglich wenige äußere Merkmale übernommen werden, die für sich genommen den Urheberrechtsschutz nicht begründen könnten.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als Vorinstanz hat die Beklagte für die Figuren in den angegriffenen Abbildungen lediglich die Haare in Farbe und Form, die Sommersprossen und – ganz allgemein – den Kleidungstil der Pippi Langstrumpf übernommen. Diese Elemente mögen zwar ausreichen, um (gewollte) Assoziationen an Pippi Langstrumpf zu wecken und um zu erkennen, dass es sich um ein Pippi-Langstrumpf-Kostüm handeln soll. Sie genügen aber nicht, um den Urheberrechtsschutz an der Figur der Pippi Langstrumpf zu begründen und nehmen daher auch nicht isoliert am Schutz der literarischen Figur teil.

Der BGH hat demnach das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit sie auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt ist. Im Hinblick auf hilfsweise geltend gemachte wettbewerbsrechtliche Ansprüche, über die das Berufungsgericht noch nicht befunden hatte, hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Anmerkung: 

Man darf gespannt sein, wie das OLG den Sachverhalt nun unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten würdigt; dies insbesondere unter Beachtung der Tatsache, dass der BGH ja grundsätzlich den Urheberrechtsschutz an der literarischen Figur bejahte. Der lauterkeitsrechtliche „Nachahmungsschutz“ ist in seiner Funktion als restriktive Ergänzung zu den Sonderschutzrechten zu sehen. Nach dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit finden Nachahmungen ihre  sondergesetzlichen Schranken, also namentlich im Urheberrecht, Markenrecht etc. Außerhalb dieser Schranken können Leistungen nachgeahmt werden. Dieser Grundsatz wird ausnahmsweise und nur dann durchbrochen, sofern die Leistung eine wettbewerbliche Eigenart besitzt und spezielle Verhältnisse hinzutreten, die das Nachahmen als unlauter erscheinen lassen. Ob dies das OLG Köln wird feststellen können, bleibt fraglich.

Vorinstanzen:
LG Köln – Urteil vom 10. August 2011 – 28 O 117/11 (ZUM 2011, 871)
OLG Köln – Urteil vom 24. Februar 2012 – 6 U 176/11 (ZUM-RD 2012, 256)