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Die 9. Kammer des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hat in einer neuen und vielbeachteten Entscheidung am 21.10.2014 (Aktenzeichen C-348/13) festgestellt, dass die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der sog. Framing-Technik allein keine öffentliche Wiedergabe darstellt, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet. In diesem Fall ist also auch nicht von einer Urheberrechtsverletzung auszugehen.

Die Entscheidung erging im Zuge eines Vorabentscheidungsersuchen im Hinblick die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10). Bei dem zugrundeliegenden Rechtsstreit ging es um die Einbettung anklickbarer Links auf Websites Dritter (der Beklagten), die sich der Framing-Technik bedienen und mit deren Hilfe der Internetnutzer zu einem Film geleitet wurde, an dem der Klägerin International die ausschließlichen Nutzungsrechte zustanden.

Zum Hintergrund

Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 bestimmt:
„…dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.“

Im Rahmen der Prüfung der Revision stellte der BGH als das vorlegende nationale Gericht u. a. fest, dass in einem Fall, in dem ein Werk bereits Gegenstand einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 gewesen sei, eine neue Wiedergabehandlung unter Verwendung des gleichen technischen Verfahrens nur dann als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der genannten Vorschrift eingestuft werden könne, wenn diese Handlung vor einem neuen Publikum stattfinde. Daher habe die von den Beklagten vorgenommene Einfügung eines Links zu dem der Klägerin hergestellten Film, um die es im Ausgangsverfahren gehe, keine Wiedergabe für ein neues Publikum bewirkt, da dieser Film bereits auf einer Videoplattform frei zugänglich gewesen sei. Der BGH wies als vorlegendes Gericht jedoch darauf hin, dass sich die betreffenden Links der sog. Framing-Technik bedienten. Diese Technik ermögliche es dem Betreiber einer Website, sich ein Werk zu eigen zu machen, ohne dieses jedoch kopieren zu müssen und damit dem Anwendungsbereich der Vorschriften über das Vervielfältigungsrecht zu unterfallen. Daraus leitet das vorlegende Gericht die Frage ab, ob es nicht doch gerechtfertigt wäre, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verlinkung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 anzusehen. Unter eben diesen Voraussetzungen hatte der BGH beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?

Zu den Gründen

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist es für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder, ansonsten, für ein neues Publikum wiedergegeben wird, d. h. für ein Publikum, an das die Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten.

Was speziell die Fallgestaltung betrifft, bei der ein Dritter auf einer Website ein geschütztes Werk, das bereits auf einer anderen Website frei öffentlich wiedergegeben wurde, mittels eines Internetlinks einstellt, hatte der Gerichtshof bereits entschieden ( Rn. 24 des Urteils Svensson u. a. – C‑466/12, EU:C:2014:76), dass eine solche Wiedergabehandlung, da sie sich desselben technischen Verfahrens bedient, das schon für die Wiedergabe des Werkes auf einer anderen Website verwendet wurde, nur dann als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 einzustufen ist, wenn die Handlung gegenüber einem neuen Publikum erfolgt. Ist dies nicht der Fall, insbesondere weil das Werk bereits auf einer anderen Website mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber für alle Internetnutzer frei zugänglich ist, kann die betreffende Handlung nicht als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 eingestuft werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Svensson u. a., EU:C:2014:76, Rn. 25 bis 28).

Etwas anderes soll nach Auffassung des EuGH auch nicht dann gelten, wenn das Werk bei Anklicken des betreffenden Links durch die Internetnutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es von der Website aus gezeigt wird, auf der sich dieser Link befindet, obwohl es in Wirklichkeit einer anderen Website entstammt („Embedding“). Dieser Umstand ist im Wesentlichen das Charakteristikum der Framing-Technik, die im Ausgangsverfahren streitgegenständlich ist und eben darin besteht, dass eine Internetseite eines Webauftritts in mehrere Rahmen unterteilt wird und in einem dieser Rahmen mittels eines „eingebetteten“ Internetlinks (sog. Inline Linking) ein einer anderen Website entstammender Bestandteil angezeigt wird, damit den Nutzern dieses Webauftritts die ursprüngliche Umgebung dieses Bestandteils verborgen bleibt.

Zu konzedieren sei zwar, dass diese Technik verwendet wird, um ein Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, ohne es kopieren zu müssen und damit dem Anwendungsbereich der Vorschriften über das Vervielfältigungsrecht zu unterfallen. Unbeschadet dessen führt aber diese Verwendung gleichwohl nicht dazu, dass das betreffende Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird. Denn sofern und soweit dieses Werk auf der Website, auf die der Internetlink verweist, frei zugänglich ist, ist davon auszugehen, dass die Inhaber des Urheberrechts, als sie diese Wiedergabe erlaubt haben, an alle Internetnutzer als Publikum gedacht haben.

Anmerkung:

Damit ist nun zwar endlich entschieden, dass das klassische „Embedding“ als solches selbst grundsätzlich kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19a UrhG darstellt und damit – wie auch das Setzen von Hyperlinks – auch ohne Zustimmung des Rechteinhabers ohne Weiteres keine Urheberrechtsverletzung ist.

Allerdings muss dringend davor gewarnt werden, z. B. zugangsgeschützte Inhalte nach Umgehung von Schutzmaßnahmen oder offensichtlich bereits rechtswidrig vervielfältigte Inhalte (namentlich über YouTube) einzubinden. Alles, was nicht vom Rechteinhaber selbst „frei zugänglich“ gemacht wurde, oder auch im Wege einer Verbreitung über neuen Technologien und damit verbundene Verwertungsformen ein neues (unerwartetes) Publikum schafft oder anspricht, ist weiterhin als rechtswidrige Urheberrechtsverletzung zu qualifizieren.