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Zu der Frage, ob einem Zeichen als Marke für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt (oder gefehlt hat) und es daher von der Markeneintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen ist (oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen wurde), muss für die im Eintragungs- und im Nichtigkeitsverfahren vorzunehmende Prüfung auf das Verkehrsverständnis zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt werden. Bislang war nach Auffassung des BGH der Zeitpunkt der Eintragung des Zeichens in das Register (bzw. der Entscheidung hierüber) ausschlaggebend.

An dieser Rechtsprechung hält der BGH nun nicht mehr fest: Nach einer neueren Entscheidung (Beschluss v. 18.04.2013 – I ZB 71/12) ist vielmehr zukünftig auf den Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen.

Zum Sachverhalt:

Die Anmelderin beantragte im September 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Eintragung der Wortfolge „Aus Akten werden Fakten“ als Marke (unter anderem für Computersoftware). Zunächst wies das DPMA die Anmeldung im August 2009 wegen Fehlens jedweder Unterscheidungskraft zurück; auch die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde vom BPatG zurückgewiesen. Auf die darauf folgende Rechtsbeschwerde der Anmelderin hob der BGH indes den Beschluss des BPatG auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück:

Zwar musste bislang der Anmelder im Eintragungsverfahren als auch im Nichtigkeitsverfahren in dem Zeitraum nach der Anmeldung des Zeichens und vor der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens entstandene Eintragungshindernisse – hier: den Verlust der Unterscheidungskraft des Zeichens – gegen sich gelten lassen. So war nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH sowohl im Eintragungsverfahren (§ 37 Abs. 1, § 41 S. 1 MarkenG) als auch im Nichtigkeitsverfahren (§ 50 Abs. 1 MarkenG) bei der Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen ist oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung des Zeichens als Marke abzustellen.

Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH zur Gemeinschaftsmarkenverordnung ist nun aber für die Prüfung eines auf Art. 51 Abs. 1 Buchst. a GMV a.F. (jetzt Art. 52 Abs. 1 Buchst. a GMV) gestützten Antrags auf Nichtigerklärung allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich. Nach eben dieser Vorschrift wird die Gemeinschaftsmarke auf Antrag beim Amt für nichtig erklärt, wenn sie entgegen den Vorschriften des Art. 7 GMV eingetragen worden ist (gemäß Art. 7 Buchst. b GMV sind Marken, die keine Unterscheidungskraft haben, von der Eintragung ausgeschlossen). Nach Ansicht des EuGH lässt sich nur mit dieser Auslegung vermeiden, dass ein Verlust der Eintragungsfähigkeit einer Marke umso wahrscheinlicher wird, je länger das Eintragungsverfahren dauert. Daraus folgt, dass auch für die Prüfung, ob die Anmeldung einer Marke gem. Art. 38 Abs. 1 GMV a.F. (Art. 37 Abs. 1 GMV n.F.) zurückzuweisen ist, weil sie nach Art. 7 GMV und insbesondere wegen Fehlens der Unterscheidungskraft nach Art. 7 Buchst. b GMV von der Eintragung ausgeschlossen ist, allein der Zeitpunkt der Anmeldung maßgeblich ist.

Der Anmelder muss danach weder im Eintragungsverfahren noch im Nichtigkeitsverfahren eine nach dem Zeitpunkt der Anmeldung eingetretene nachteilige Veränderung der Marke, wie den Verlust ihrer Unterscheidungskraft oder ihre Umwandlung in eine gebräuchliche Bezeichnung, gegen sich gelten lassen.

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des EuGH hält der Senat nicht an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Für die im Eintragungsverfahren und im Nichtigkeitsverfahren vorzunehmende Prüfung, ob einem Zeichen für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt oder gefehlt hat und es daher von der Eintragung nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ausgeschlossen oder entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist, ist auf das Verkehrsverständnis im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens abzustellen.

Quelle: BGH online