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Nach einer neueren Entscheidung des u. a. für Markenstreitsachen zuständigen 1. Zivilsenats des BGH (Urt. v. 22.01.2014 – Az.: I ZR 71/12) entfällt die durch eine Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr einer Markenrechtsverletzung nicht schon dann, wenn gegen die Zurückweisung der Markenanmeldung durch das Deutsche Patent- und Markenamt keine Beschwerde eingelegt wird.

Zum Hintergrund:

Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der Metro AG und verwaltet die gewerblichen Schutzrechte des Metro-Konzerns. Zu diesem Konzern gehört auch die real,- SB-Warenhaus GmbH, die mehr als 300 Warenhäuser in Deutschland betreibt. Die Klägerin ist Inhaberin mehrerer deutscher Marken mit dem Bestandteil „real,-„. Im vorliegenden Fall stützte sie sich auf die eingetragene deutsche Wort-Bild-Marke mit den Wortbestandteilen „real,- QUALITY“ („real“ in roter Schrift, weitere Wortbestandteile blau). Die Beklagte vertreibt in Großbritannien unter der Bezeichnung „REAL“ Kartoffelchips. Sie nahm im Jahr 2010 an der internationalen Süßwarenmesse ISM in Köln teil und präsentierte dort ihre Kartoffelchips.

Nachdem ihr dies durch eine von der Klägerin erwirkte einstweilige Verfügung verboten worden war, meldete die Beklagte im April 2010 die deutschen Wortmarken „REAL“ und „REAL Crisps“ für verschiedene Waren an. Das Deutsche Patent- und Markenamt wies diese Anmeldungen im Oktober 2010 aber zurück, weil die Zeichen nicht unterscheidungskräftig seien. Die Bezeichnung „REAL“ werde lediglich beschreibend verstanden. Die Entscheidungen sind bestandskräftig geworden, nachdem die Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hatte.

Im Zuge des einstweiligen Verfügungsverfahrens hatte das Landgericht Köln die Beklagte u.a. dazu verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Deutschland die Bezeichnung „REAL“ und/oder „REAL Crisps“ für ihre Waren zu verwenden und/oder verwenden zu lassen. Die hiergegen gerichteten Rechtsmittel der Beklagten blieben nun allesamt erfolglos.

Zu den Gründen:

Auch nach der Auffassung des BGH hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Unterlassungsanspruch, da zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Zeichen Verwechslungsgefahr i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht. Die Vorinstanzen hatten demnach ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Klagemarke im Hinblick auf die Anlehnung an einen beschreibenden Begriff für den in Rede stehenden Warenbereich originär nur schwach kennzeichnungskräftig ist, ihr aber nicht jegliche Kennzeichnungskraft von Haus aus fehlt. Hierfür spräche, dass das Publikum in der Erinnerung nicht nach der rechtlichen Art der Kennzeichen differenziert und daran gewöhnt ist, dass große Handelsketten ihr Unternehmenskennzeichen regelmäßig auch zur Kennzeichnung von ihnen angebotener Waren verwenden. Außerdem hätten die Vorinstanzen zu Recht angenommen, dass zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Zeichen „REAL“ und „REAL Crisps“ eine hohe Ähnlichkeit besteht: Die Kollisionszeichen, die jeweils durch den Wortbestandteil „real“ in Groß- und Kleinschreibung geprägt würden, seien klanglich identisch. Die Klagemarke würde durch den Wortbestandteil „real“ geprägt und erlange daher Unterscheidungskraft für die in Rede stehenden Waren nicht ausschließlich durch eine Abweichung von einem nicht unterscheidungskräftigen Markenwort. Auch bezogen auf die zum Teil aus mehreren Wörtern zusammengesetzten Kollisionszeichen (Klagemarke „real,-QUALITY“ und „REAL Crisps“) bestehe zumindest hochgradige klangliche Ähnlichkeit.

Die Revision wehrte sich auch erfolgslos gegen die Annahme des Berufungsgerichts, für die Nutzung der Wortmarken „REAL“ und „REAL Crisps“ bestehe eine Erstbegehungsgefahr. Denn aufgrund der Anmeldung eines Zeichens als Marke ist im Regelfall zu vermuten, dass eine Benutzung des Zeichens für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die gegen eine solche Benutzungsabsicht sprechen. In diesem Zusammenhang kam es nicht auf die (ggf. nur prozessual motivierte, dann ohnehin fehlgeleitete) Motivation der Beklagten bei der Markenanmeldung an.

Bemerkenswert an der BGH-Entscheidung ist aber die Feststellung, dass die von den Markenanmeldungen ausgehende Erstbegehungsgefahr nicht dadurch entfallen ist, dass die Beklagte gegen die Zurückweisung der Markenanmeldung keine Beschwerde einlegte (und damit also von dem Ansinnen des Registerschutzes Abstand nahm). Denn der Senat hatte in der Vergangenheit entschieden, dass die Rücknahme der Markenanmeldung oder ein Verzicht auf die Eintragung der Marke regelmäßig zum Fortfall der Erstbegehungsgefahr führt (BGH, GRUR 2008, 912 Rn. 30 Metrosex; Urteil vom 4. Dezember 2008 I ZR 94/06, GRUR-RR 2009, 299 Rn. 12).

Anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung. An die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr sind daher grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Gefahr der Wiederholung des Verhaltens in der Zukunft. Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr genügt daher grundsätzlich ein „actus contrarius“, also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten.

Der BGH sah in der vorliegenden Fallkonstellation aber in diesem Sinne keine „bewusste, auf die Erzielung einer bestimmten Rechtswirkung gerichtete Handlung des Anmelders nach außen“, die der Annahme entgegensteht, er werde die angemeldeten Zeichen nutzen. Der Annahme einer fortbestehenden Erstbegehungsgefahr bei bloßer Nichteinlegung eines Rechtsmittels stehe auch nicht entgegen, dass die Erstbegehungsgefahr auch dann entfällt, wenn die Anmeldung aufgrund einer unterbliebenen Zahlung der Anmeldegebühren gemäß § 64a MarkenG, § 6 Abs. 2 PatKostG kraft Gesetzes als zurückgenommen gilt (vgl. BGH, GRUR 2010, 838 Rn. 29 f. DDR-Logo). Denn in diesem Fall würde eine bewusste Handlung und damit auch die entsprechende Rechtswirkung vom Gesetz fingiert. Eine solche Fiktion sah der BGH bei der bloßen „passiven“ Nichteinlegung eines Rechtsmittels nicht.

Vorinstanzen:

LG Köln, Entscheidung vom 27.04.2011 – 84 O 274/10 –

OLG Köln, Entscheidung vom 16.03.2012 – 6 U 113/11 –

 

Quelle: BGH Online