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Der BGH hat in einer bereits im Mai diesen Jahres ergangenen Entscheidung (Beschl. v. 22.05.2014, Az.: I ZB 64/13) festgestellt, dass der Inhalt des Verzeichnisses der Waren oder Dienstleistungen im Rahmen einer Markenanmeldung nicht zur Ermittlung des Verkehrsverständnisses für die Frage herangezogen werden, ob der angesprochene Verkehrskreis eine Marke als beschreibende Angabe oder gängige Abkürzung erkennt.

Die anderweitige Rechtsauffassung des Bundespatentgerichtes (BPatG Beschl. v. 08.07.2013, Az. 27 W(pat) 521/13) ist rechtsfehlerhaft.

Zum Hintergrund:

Die Anmelderin einer Wortmarke („ECR-Award“) beantragte beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) unter Klasse 41 für folgende Dienstleistungen markenrechtlichen Schutz:

„Organisation und Durchführung von Preisverleihungen für Managementleistungen, insbesondere im Bereich Efficient Consumer Response, die intelligente Kooperation zum Nutzen der Konsumenten.“

 Die zuständige Markenstelle des DPMA wies die Anmeldung wegen des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG) zurück; die dagegen gerichtete Beschwerde vor dem BPatG blieb zunächst erfolglos (siehe oben, BPatG Beschl. v. 08.07.2013, Az.: – 27 W(pat) 521/13, juris). Mit der gleichwohl zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgte die Anmelderin ihren Eintragungsantrag vor dem BGH erfolgreich weiter.

Zur grundsätzlichen Rechtslage:

Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist der Eintragungsantrag nur dann zurückzuweisen, wenn der angemeldeten Marke im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen werden soll, jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Dabei ist Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (ständige Rechtssprechung, vgl. EuGH, Urteil vom 21. Januar 2010 C398/08, Slg. 2010, I-535 = GRUR 2010, 228 Rn. 33 Audi [Vorsprung durch Technik]; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 I ZB 56/09, GRUR 2012, 270 Rn. 8 = WRP 2012, 337 Link economy; Beschluss vom 4. April 2012 I ZB 22/11, GRUR 2012, 1143 Rn. 7 = WRP 2012, 1396 Starsat; Beschluss vom 22. November 2012 I ZB 72/11, GRUR 2013, 731 Rn. 11 = WRP 2013, 909 Kaleido).

Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (ebenfalls ständige Rechtssprechung, wenngleich ebenso ständig vom DPMA und dem BPatG ignoriert; siehe z. B. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2008 I ZB 48/08, GRUR 2009, 778 Rn. 11 = WRP 2009, 813 Willkommen im Leben; Beschluss vom 24. Juni 2010 I ZB 115/08, GRUR 2010, 1100 Rn. 10 = WRP 2010, 1504 TOOOR!; Beschluss vom 19. Februar 2014 – I ZB 3/13, GRUR 2014, 569 Rn. 10 = WRP 2014, 573 – HOT).

Abzustellen für die Unterscheidungskraft einer Marke ist dabei maßgeblich die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen (so der BGH unter Verweis auf EuGH, Urteil vom 8. Mai 2008 C304/06, Slg. 2008, I-3297 = GRUR 2008, 608 Rn. 67 EUROHYPO; BGH, Beschluss vom 15. Januar 2009 I ZB 30/06, GRUR 2009, 411 Rn. 8 = WRP 2009, 439 STREETBALL; BGH, GRUR 2013, 731 Rn. 11 Kaleido; BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 11 – HOT). Dieser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, GRUR 2012, 270 Rn. 12 Link economy).

Gegenstand der Prüfung im Eintragungsverfahren ist grundsätzlich das angemeldete Zeichen als Ganzes (vgl. BGH, GRUR 2002, 884, 885 B-2 alloy). Besteht das angemeldete Zeichen aus mehreren Bestandteilen, darf sich die Prüfung nach Auffassung des BGH nicht darauf beschränken, ob Eintragungshindernisse hinsichtlich eines oder mehrerer Zeichenbestandteile bestehen. Die Eintragung ist vielmehr nur dann zu versagen, wenn das angemeldete Zeichen in seiner Gesamtheit die Voraussetzungen eines Schutzhindernisses erfüllt. Eine Prüfung der Gesamtheit der Bestandteile des Zeichens ist auch deshalb erforderlich, weil Bestandteile, die für sich betrachtet nicht unterscheidungskräftig sind, in ihrer Kombination unterscheidungskräftig sein können (so der BGH, unter Hinweis auf den Beschluss vom 10. Juni 2010 I ZB 39/09, GRUR 2011, 65 Rn. 10 = WRP 2011, 65 Buchstabe T mit Strich).

 Für das Vorliegen des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG reicht es allerdings aus, wenn das angemeldete Zeichen verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren oder Dienstleistungen selbst beschreibt. Der allein durch die Existenz verschiedener Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand des Verkehrs reicht für die Bejahung einer Unterscheidungskraft nicht aus (BGH Beschluss vom 22. Januar 2009 – I ZB 52/08, GRUR 2009, 952 Rn. 15 = WRP 2009, 960 DeutschlandCard; BGH, GRUR 2014, 569 Rn. 11 – HOT; Ingerl/Rohnke, Mar-kenG, 3. Aufl., § 8 Rn. 131 f.; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 113).

Diese Grundsätze angewendet auf den vorliegenden Fall:

 Das BPatG bejahte das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG aufgrund einer (produkt-)beschreibenden Angabe der Abkürzung „ECR“. Denn diese stehe nicht nur für „Efficient Consumer Response“, sondern unter anderem auch für die Begriffe „Earth Centered Rotation“, „El Charco“, „Electro Coat Replacement“, „Electronic Cash Register“, „Electronic Combat Reconnaissance“, „Engineer Change Request“, „Extended Control Register“ oder „Elektrische Straßenbahn Elberfeld-Cronenberg-Remscheid“.

 Welche konkrete Bedeutung der Begriff „ECR“ tatsächlich habe, lasse sich ohne Berücksichtigung der Dienstleistungen, welche die streitgegenständliche Anmeldung beanspruche, kaum ergründen. Im konkreten Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen werde der angesprochene Verkehr auch ohne eine analysierende Betrachtungsweise die angemeldete Marke in dem von dem Deutschen Patent- und Markenamt angenommenen Sinn deuten und in der darin enthaltenen Abkürzung „ECR“ einen Hinweis auf die prämierte Leistung sehen. Das angesprochene Publikum werde aufgrund der Vielzahl der Bedeutungen der Abkürzung „ECR“ nicht zwingend die optimierte Lagerlogistik als Thema erkennen; es werde jedoch den Begriff nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, sondern auf einen „thematisch bestimmten“ Preis auffassen.

 Dies lies das BPatG ausreichen, um ein Eintragungshindernis zu bejahen. Zu Unrecht, wie der BGH feststellte: Denn aus den Darlegungen ergäbe sich keineswegs, dass der angesprochene inländische Verkehr „ECR-Award“ tatsächlich ohne weiteres und ohne Unklarheiten als bekannte und gebräuchliche Abkürzung für „Efficient-Consumer-Response-Award“ erkennt – und sei es auch nur als eine Deutungsmöglichkeit. Ganz im Gegenteil sei der angesprochene Verkehrskreis auch nach den Feststellungen des BPatG ohne Berücksichtigung der im Klassenverzeichnis angegebenen Dienstleistungen gerade nicht in der Lage, „ECR“ als Abkürzung für „Efficient Consumer Response“ zu begreifen.

Die Ermittlung des Verkehrsverständnisses für die beschreibende Wirkung der Abkürzung durch Heranziehung des Inhalts des Dienstleistungsverzeichnisses sei aber rechtsfehlerhaft. Dies schon allein deswegen, da das Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen dem die Marke wahrnehmenden Verkehr überhaupt nicht bekannt ist, und daher auch nicht als „Ermittlungsgrundlage“ dienen kann.

 Nur das Verständnis des angesprochenen Verkehrs anhand der Marke selbst und der mit ihr gekennzeichneten Dienstleistungen ist nach Auffassung des BGH maßgebend für die Frage, ob eine Marke als beschreibende Angabe oder Abkürzung verstanden werden kann (unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 15. März 2012 C90/11 und C91/11, GRUR 2012, 616 Rn. 37 f. – MMF/NAI). Ohne Kenntnis des Inhalts des Dienstleistungsverzeichnisses kann der Verkehr der angemeldeten Marke nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts gar keine bestimmte, ohne weiteres beschreibende Bedeutung beilegen.

 Da hiernach nicht davon ausgegangen werden konnte, dass es sich bei der angemeldeten Wortmarke um eine beschreibende Angabe handelt, blieb auch unbehelflich, dass das BPatG die nicht näher begründeten Auffassung vertrat, hinsichtlich der angemeldeten Dienstleistungen bestünde ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Der BGH hat daher die Entscheidung des BPatG aufgehoben und die Sache gemäß § 89 Abs. 4 Satz 1 MarkenG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Quelle: BGH online