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In einer bemerkenswerten neueren Entscheidung des BGH (Urt. v. 30.1.2014, I ZR 107/10) hat der 1. Zivilsenat festgestellt, dass auf den außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 10 UWG wegen unlauterer Behinderung aufgrund einer bösgläubigen Anmeldung einer Marke die Vorschrift des § 52 Abs. 2 MarkenG entsprechende Anwendung findet – mit interessanten prozessualen Folgen: Auch ohne ausdrückliche Anordnung in der Urteilsformel kann sich eine Rückwirkung der Verurteilung zur Einwilligung in die Löschung einer Marke aus einer Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben.

Zum entschiedenen Fall:

Die Klägerin vertreibt unter der Bezeichnung „H 15“ ein Nahrungsergänzungsmittel mit dem Inhaltsstoff „Weihrauch Boswellia serrata“. Sie war Inhaberin der während des Revisionsverfahrens gelöschten deutschen Wortmarken „H 15“ (Klagemarke 1), mit Priorität vom 26.9.1995 eingetragen u.a. für pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, sowie „Hecht H 15“ und „Weihrauch H 15 (Klagemarken 2 und 3), jeweils mit Priorität vom 18.4.2000 eingetragen u.a. für Arzneimittel aller Art und Nahrungsergänzungsmittel. Die Klägerin erwarb die Klagemarke 1 im Oktober 2003 von der Hexal AG. Die Klagemarken zu 2 und 3 wurden von ihr angemeldet. Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, vertreibt in Deutschland unter der Bezeichnung „H 15 Gufic“ ein Präparat des indischen Herstellers Gufic Limited, das ebenfalls den Inhaltsstoff Weihrauch enthält. Dieses Präparat ist in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen, allerdings gem. § 73 Abs. 3 AMG vom grundsätzlichen Verbot des Inverkehrbringens ausgenommen. Die Klägerin machte geltend, die Bezeichnung „H 15 Gufic“ verletze ihre Rechte an den Klagemarken. Sie begehrte insbes. Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht.

LG und OLG Stuttgart wiesen die Klage ab. Mit ihrer Revision verfolgte die Klägerin ihre Klageanträge zunächst weiter. Während des Revisionsverfahrens wurde die Klägerin in einem Rechtsstreit vor dem OLG Hamburg zur Einwilligung in die Löschung der Klagemarken rechtskräftig verurteilt (OLG Hamburg 7.6.2012, 3 U 186/10). Die Klagemarken wurden zwischenzeitlich im Register gelöscht.

Die Klägerin beantragte nunmehr, festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache durch die Löschung der Klagemarken erledigt hat. Der BGH wies die Revision zurück: Der Antrag der Klägerin festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache durch die Löschung der Klagemarken erledigt hat, sei unbegründet. Nach der Auffassung des BGH waren die von der Klägerin gestellten Anträge (u.a. auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht) bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung unbegründet, weil die Klagemarken während des Revisionsverfahrens wegen bösgläubigen Erwerbs und Einsatzes rechtskräftig gelöscht worden sind und die Löschung der Klagemarke 1 auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Marke von der Hexal AG und die Löschung der Klagemarken 2 und 3 auf deren Eintragungszeitpunkt zurückwirkte. Grundsätzlich sei eine Veränderung der Schutzrechtslage im Markenverletzungsstreit auch noch in der Revisionsinstanz zu beachten. Die Veränderung der Schutzrechtslage ergab sich aber vorliegend aus der Löschung der Klagemarken aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung der Klägerin durch die Entscheidung des OLG Hamburg, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren gewesen ist.

Die rechtskräftige Löschung einer Marke führt in einem Verletzungsprozess, der auf die Marke gestützt ist, hinsichtlich des Verbotsantrags zur Erledigung der Hauptsache. Im Streitfall wirkt die Löschung der Klagemarken 2 und 3 auf den Eintragungszeitpunkt im Jahr 2000 und die Löschung der Klagemarke 1 auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Marke im Jahr 2003 zurück. Das folgt aus dem Urteil des OLG Hamburg. Dessen Urteilsformel enthält zwar keine Angabe, auf welchen Zeitpunkt die Anordnung der Löschung bezogen ist. Das ist nach Auffassung des BGH aber vorliegend unschädlich, weil zur Auslegung der Urteilsformel Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils herangezogen werden können. Die Rückwirkung der Löschung auf den Zeitpunkt der Eintragung der Klagemarken 2 und 3 im Jahr 2000 und auf den Zeitpunkt des Erwerbs der Klagemarke 1 im Jahr 2003 ergibt sich aus einer analogen Anwendung des § 52 Abs. 2 MarkenG auf den im Markengesetz nicht geregelten außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S. 1, §§ 3, 4 Nr. 10 UWG.

Nach der Vorschrift des § 52 Abs. 2 MarkenG gelten die Wirkungen der Eintragung einer Marke in dem Umfang, in dem die Eintragung wegen Nichtigkeit gelöscht wird, als von Anfang an nicht eingetreten. Dem Anwendungsbereich der Vorschrift des § 52 Abs. 2 MarkenG unterfallen die vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geltend zu machende Löschung der Marke wegen absoluter Schutzhindernisse (§§ 50, 54 MarkenG) und die vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgende Nichtigkeit einer Marke wegen bestehender älterer Rechte (§§ 51, 55 MarkenG).

Nach der Auffassung der BGH konnte daher der Klage auf Einwilligung in die Löschung Rückwirkung auch über den Zeitpunkt der Klageerhebung hinaus zukommen. Ein besonderer Antrag sei hierzu anders als bei der Löschungsklage wegen Verfalls nach § 52 Abs. 1 S. 2 MarkenG nicht erforderlich. Bei dem außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch nach § 8 Abs. 1 S: 1, §§ 3, 4 Nr. 10 UWG besteht eine vergleichbare Interessenlage wie beim Nichtigkeitsgrund der bösgläubigen Markenanmeldung i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1 MarkenG, auf den § 52 Abs. 2 MarkenG unmittelbar anzuwenden ist. Die Voraussetzungen beider Löschungstatbestände entsprechen sich.

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 17.11.2009 – 17 O 154/09 –
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 10.06.2010 – 2 U 87/09 –