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Wir erhalten zuletzt häufiger Anfragen aus der Marketing-Branche, die insgesamt eine gewisse Rechtsunsicherheit im Umgang mit Online-Direktmarketing unter Verwendung von am Markt angebotener E-Mail-Adressen erkennen lassen. Wir nehmen dies daher zum Anlass, hier nachfolgend mal kurz ein paar ganz grundsätzliche Fragen zu klären:

Die gelegentlich zu lesende Auffassung, die mit dem Adresskauf zum Online-Direktmarketing verbundenen Rechtsfragen fänden allein im Wettbewerbsrecht (§ 7 UWG) eine Regelung, ist zunächst einmal unzutreffend oder zumindest irreführend. Es bestehen tatsächlich zwei sich überschneidende rechtliche „Problemkreise“, die hier tangiert werden und sich (wie wir gleich sehen werden) an bestimmter Stelle sogar „verzahnen“: ein wettbewerbsrechtlicher und ein datenschutzrechtlicher.

1.

Letzterer bezieht sich zunächst darauf, ob personenbezogene Daten (pbD) überhaupt erhoben werden durften, und ob die konkrete „Verwendung“ bzw. Übermittlung der Daten durch die verantwortliche Stelle (d.h. Speicherung, Systematisierung, Weiterleitung und – siehe gleich – konkrete Verwendung) zulässig ist.

Allgemein bekannt ist der einfache datenschutzrechtliche Grundsatz des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“, d. h. die Erhebung, Speicherung, Verarbeitung und Nutzung pbD ist unzulässig, soweit nicht entweder eine spezielle Rechtsvorschrift, die vorherige (grundsätzlich schriftliche) Einwilligung des Betroffenen oder bestimmte Ausnahmen im Bundesdatenschutzgesetz diese gestatten (wobei auch insoweit immer „schutzwürdige Belange“ des Betroffenen berücksichtigt werden müssen und die verantwortliche Stelle besondere Hinweis- und Informationspflichten zu beachten hat, siehe §§ 4, 4a, 28 Abs. 4 Satz 2 BDSG).

Um nun überhaupt Gegenstand des Adresshandels und damit „Quelle“ des anschließenden Direktmarketings zu sein, werden pbD zu irgendeinem Zeitpunkt dort erhoben worden sein, wo der Betroffene sie (in der Regel) selbst im Rahmen eines bestimmten Erwerbsgeschäftes oder der Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen seinem Vertragspartner oder zumindest rechtsgeschäftlichen Erklärungsempfänger angegeben hat – gerade aufgrund des damit dokumentierten spezifischen Produktinteresses des Betroffenen als potentieller Kunde sind diese „qualifizierten“ Daten für das Direktmarketing ja interessant. Nicht umfasst von der nach § 28 Abs. 1 BDSG auch ohne ausdrückliche Einwilligung zulässigen Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von pbD, die für das gewünschte Schuldverhältnis erforderlich sind, ist aber die weitere Verwendung für Maßnahmen des Direktmarketings:

a.

Nach § 28 Abs. 3 BDSG ist die weitere Verarbeitung oder Nutzung pbD für den „eigenen Geschäftszweck“, also der Werbung für eigene Produkte oder die Produkte Dritter (zum dort etwas missverständlich angeführten „Adresshandel“ siehe gleich) ausdrücklich nur dann zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat und im Falle einer nicht schriftlich erteilten Einwilligung die „verantwortliche“ (also erhebende) Stelle dem Betroffenen den Inhalt der Einwilligung schriftlich bestätigt – es sei denn (und dies dürfte heutzutage der Regelfall sein), dass die Einwilligung elektronisch erklärt wird: Hier ist die Protokollierung der Einwilligung ausreichend, soweit der Betroffene den Erklärungsinhalt jederzeit abrufen und die mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann, § 28 Abs. 3a BDSG (welche dem Wortlauft des § 13 TMG entspricht).

b.

Für die Übermittlung der Daten an gewerbliche Adresshändler, gilt diese Ausnahmenbestimmung unter § 28 Abs. 3 BDSG nicht unmittelbar, denn nach der ratio legis ist diese Übermittlung nur für Zwecke der Werbung gestattet – professionelle Adresshändler speichern und verarbeiten pbD aber nicht zum Zwecke der Werbung, sondern zum Zwecke des Verkaufs. In diesem Fall greift vielmehr § 29 BDSG: Auch und insbesondere für eben diese Art der kommerziellen „Übermittlung“ an Adresshändler ist demnach die ausdrückliche Einwilligung erforderlich, §§ 4, 4a BDSG. Aufgrund der ausdrücklichen Verweisung unter § 29 Abs. 1 Satz 2 BDSG auf § 28 Abs. 3 BDSG (und damit unter anderem auch auf Abs. 3a, siehe oben), besteht aber auch hier unter den genannten Voraussetzungen die Möglichkeit der Protokollierung elektronisch abgegebener Erklärungen.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist also für jeden Datensatz ein zuordenbares Protokoll der Einwilligung über die Möglichkeit der Weiterleitung und -verarbeitung der Daten zu Zwecken der Werbung bzw. der Übermittlung an Adresshändler unter Berücksichtigung eines „Opt-Out“-Hinweises zwingend erforderlich. Die weitere Form des Nachweises der rechtskonform erteilten Einwilligung ist – wie wir gleich sehen werden – aber auch für die wettbewerbsrechtliche Seite von Relevanz. Der nicht mögliche Nachweis kann ggf. für die (ursprünglich) verantwortliche Stelle wie auch gegen den werbenden Dritten zu unerwünschten rechtlich Weiterungen führen. Es bestehen dann neben Auskunftsansprüchen (§ 34 BDSG) grundsätzlich auch Unterlassungs- und (theoretisch) Schadensersatzansprüche (§§ 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 4, 28 BDSG, § 1004 analog BGB, also unabhängig von wettbewerbsrechtlichen Tatbeständen, siehe unten). Auch Bußgelder sind nach § 43 Abs. 2 BDSG möglich.

Das derart strafbewehrte Erfordernis einer zu protokollierenden Einwilligung unter Berücksichtigung einer „Opt-out“-Aufklärung gestaltet in der Praxis natürlich den rechtskonformen Rückgriff auf frei gehandelte Daten etwas schwierig. Anzumerken bleibt unter bestimmten Umständen ein möglicher Lösungsansatz: Denn Adresshändler werden dann nicht zum Zwecke der „Übermittlung“ im Sinne des § 29 BDSG tätig, wenn sie lediglich die Maßnahmen des Direkt-Marketings als sog. „Lettershop“ unter Einsatz ihrer oder auch fremder Datenbestände im Rahmen einer erlaubten Empfehlungswerbung für die verantwortliche Stelle selbst und dann also im Zuge einer Auftragsdatenverarbeitung „technisch“ ermöglichen. Neben den damit einhergehenden Transparenzpflichten, d. h. insbesondere der Deutlichmachung des Absenders bzw. der verantwortlichen Stelle, wäre hierdurch allerdings eine weitere „Ausnahme“ zu den Eingangs genannten Grundsätzen eröffnet: § 11 BDSG nebst den damit einhergehenden Anforderungen. Eine protokollierte Einwilligung zur produktbezogenen Werbung ist im Zuge der „Konstruktion“ zulässiger Adresshandelsmodelle aber allemal erfolgsaussichtsreicher als die Protokollierung einer Einwilligung zu der Übermittlung an einen „freien“ Adressmakler.

2.

Der zweite, eigentlich weniger komplexe Problemkreis beschäftigt sich mit einer konkreten Verwendung der pbD, nämlich der Werbemaßnahme als solcher.

a.

Hier ist die Rechtslage längst eindeutig: Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG  sind Maßnahmen der Direktwerbung stets für Unternehmen wie für Verbraucher als unzumutbare Belästigung anzusehen, wenn nicht die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt; eine mutmaßliche Einwilligung ist unbehelflich. Eine bekannte Ausnahmeregelung besteht nach § 7 Abs. 3 UWG für „elektronische Post“, wonach im Rahmen bestehender Kundenbeziehung es dem Händler (d.h. als datenschutzrechtlich verantwortliche Stelle, nicht etwa dem Adresshändler, siehe oben) möglich sein soll, für den Absatz ähnlicher Waren oder Dienstleistungen per eMail zu werben, ohne die Einwilligung des Kunden eingeholt zu haben – solange dieser die weitere Nutzung nicht untersagt (also hier wiederum ausnahmsweise das „Opt-Out“-Modell). Bei Erhebung und jeder werbenden Verwendung muss der Händler auf diese Widerspruchsmöglichkeit ausdrücklich hinweisen.

Da es nun also für eine solche Ausnahme schon nicht ausreicht, dass der Werbende sich die Adresse anderweitig (durch kooperierende Händler, freie Adressbücher oder eben Adresshändler) beschafft hat, ist insoweit immer der Nachweis einer ausdrücklichen Einwilligung erforderlich – und hier besteht der relevante Zusammenhang mit den vorangestellten datenschutzrechtlichen Erwägungen:

Der Nachweis wird im Streitfalle (Abmahnung) aus den datenschutzrechtlichen Notwendigkeiten gegenüber den betroffenen Adressaten, Wettbewerbern und Verbraucherschutzvereinen eben durch den Verweis auf ein diesbezügliches Protokoll der belastbaren Einwilligung gerichtsfest geführt werden. Aus den datenschutzrechtlichen Anforderungen an diese Einwilligung ergibt sich zwar eindeutig, dass die Einwilligung zusammen mit anderen (rechtsgeschäftlichen) Erklärungen abgegeben werden kann, so dass es keiner gesonderten, getrennten Zustimmungshandlung bedarf. Der Einwilligungstext muss lediglich „in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorgehoben“ sein. Nach den wettbewerbsrechtlichen Anforderungen im Zuge des Werbeversands bedarf es dagegen einer getrennten, gesonderten (Double-)-„Opt-In“-Einwilligungserklärung (siehe bereits BGH, Urt. v. 16.07.2008 – Az.: VIII ZR 348/06 –„Payback“). Datenschutzrechtliche und wettbewerbsrechtliche Bestimmungen definieren demnach in der Praxis zusammen einen eigenen „Compliance“-Standard für diese Sonderform des Adresshandels zum Online-Marketing.

b.

Hier wirkt sich in der Praxis die „Qualität“ der Vertragsgestaltung zwischen dem werbenden Händler (bzw. Agentur des Händlers) und der „adressverwaltenden“ Stelle (Adresshändler) aus: Denn der „Erwerber“ von Adressdaten darf sich nicht etwa pauschal auf die Zusicherung des Adressverkäufers verlassen, die Einwilligung sei gesondert erteilt bzw. protokolliert worden; sondern er ist verpflichtet, bestimmte Prüfungshandlungen oder Beweissicherungsmaßnahmen vorzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. V. 24.11.2009, Az.: 20 U 137/09; vgl. auch schon LG Traunstein, Urt. v. 22 .05.2008, Az.: 7 O 318/08). Diese sind dann sinnvoller Weise zum Bestandteil der vertraglichen Beziehung zwischen dem Adressverkäufer bzw. der auftragsdatenverarbeitenden Stelle und dem werbenden Händler (bzw. seiner Agentur) zu machen. Der werbende Händler und/oder die von ihm beauftragte Agentur haften verschuldensunabhängig jedenfalls auf Unterlassung der eMail-Werbung, wenn der Nachweis der Einwilligung notfalls vor Gericht nicht geführt werden kann (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG bzw. §§ 823 Abs.1, 1004 BGB). Weitergehende (Schadensersatz-)Ansprüche gegen den Werbenden hängen dagegen an der Frage seiner Exkulpationsmöglichkeit. Ein Rückgriff im Sinne eines Freistellungs- oder Schadensersatzanspruches auf den zusichernden Adressverkäufer ist dann ebenfalls denkbar – scheitert aber häufig an den fehlenden Durchsetzungsmöglichkeiten, insbesondere wenn dieser seinen Sitz im Ausland hat.

Ob es aber überhaupt zu rechtlichen Auseinandersetzungen (Abmahnungen) im Zuge von Adresskäufen zu Zwecken des Online-Marketings kommt, bzw. ob die Rechtsverteidigung in diesen Fällen erfolgsaussichtsreich sein kann, hängt von der rechtskonformen „Konstruktion“ bzw. vertragsrechtlichen Gestaltung in der Beziehung „Datenquelle – Datensammler – Datenverwerter“ ab. Diese ist anhand der vorbeschrieben datenschutz- und haftungsrechtlichen Besonderheiten im Einzelfall zu bestimmen.

Der seriöse „Handel“ mit Adressdaten und ihr rechtskonformer Einsatz im Online-Direktmarketing ist also durch die geltende Gesetzeslage keineswegs ausgeschlossen. Er bedarf nur der Beachtung einer sorgfältigen vertragsrechtlichen Gestaltung und transparenter Prozesse. Werbetreibende bzw. Agenturen, welche indes derlei Rechtskonformität vorweisen können, werden zweifelsfrei einen wettbewerblichen Vorteil in einem hart umkämpften Marktsegment haben.

Bitte beachten Sie, dass diese generellen Hinweise eine unbedingt erforderliche individuelle Rechtsberatung selbstverständlich nicht ersetzen können.